Neueste Erkenntnisse zu Sport in und nach der Schwangerschaft
Interessante Fachvorträge zu Geburtshilfe und Gynäkologie anlässlich Ordinationseröffnung
Ausgewähltes Fachpublikum aus den Bereichen Geburtshilfe und operative Gynäkologie traf sich kürzlich an der Privatklinik Kettenbrücke zu einem interessanten Programm an Fachvorträgen und gleich zwei Ordinationseröffnungen. Dr. Matthias Schwarz und Dr. Nina Elisa Neuner feierten den offiziellen Start ihrer Gemeinschaftspraxis in den neuen Räumlichkeiten der Geburtshilfe Kettenbrücke. Priv.-Doz. Dr. Michael Hubalek und Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Widschwendter luden in ihre neue Ordination für operative Gynäkologie in der Privatklinik Kettenbrücke ein. Einer der Vorträge von Physiotherapeutin und Lehrbeauftragter Lea Kostner, BSc drehte sich um die neuesten Erkenntnisse zu Sport in und nach der Schwangerschaft.
Alte Mythen zum Schwangeren-Training sind überholt
Die landläufige Meinung, ein trainierter Beckenboden sei für eine natürliche Geburt eher hinderlich, ist gründlich überholt, weiß Lea Kostner: „Im Gegenteil. Man weiß heute, dass gute Beckenbodenmuskeln die Geburt erleichtern, einer Organsenkung oder Urininkontinenz effektiv vorbeugen und auch für Wochenbett und Rückbildung von Vorteil sind.“ Auch andere Empfehlungen wie etwa eine maximale Herzfrequenz von 140 beim Training in der Schwangerschaft sind nicht mehr aktuell. „Vielmehr gilt heute der allgemeine Level an Sportlichkeit einer Frau als Richtschnur für Sport während der Schwangerschaft“, so die Physiotherapeutin. Von manchen Sportarten wird allerdings weiterhin abgeraten: dazu zählen alle Kontaktsportarten wie etwa Fußball, Kampfsport, Tauchen oder auch Aufenthalte in Höhen ab 2.000 bis 2.500 Metern. Absolutes Sportverbot gilt in speziellen Fällen wie etwa dem Auftreten von Blutungen während der Schwangerschaft oder bei anderen Risiken für eine Fehlgeburt.
Joggen und Krafttraining in der Schwangerschaft
Mittlerweile laufen 70 Prozent der Joggerinnen auch während der Schwangerschaft weiter. Nach neuesten Daten sind 31 Prozent der Läuferinnen auch im dritten Abschnitt der Schwangerschaft regelmäßig unterwegs. Ähnlich verhält es sich beim Krafttraining: Wenn eine Frau vor der Empfängnis bereits mit Gewichten trainiert hat, kann sie es auch während der Schwangerschaft betreiben. Ein moderater Start mit Krafttraining ist natürlich auch möglich. Es gilt weiterhin die Empfehlung von zwei Trainingseinheiten pro Woche. „Die Vorteile von Sport in der Schwangerschaft sind nicht zuletzt auch eine geringere Gewichtszunahme, besserer Blutdruck, weniger Rückenschmerzen und Krampfadern“, erklärt Lea Kostner. Das Auftreten von Schwangerschaftsdiabetes und Präeklampsie – erhöhter Blutdruck verbunden mit vermehrter Eiweißausscheidung im Urin – verringert sich mit Sport sogar um 40 Prozent. Lea Kostner unterstützt Ihre Patientinnen beim Einschätzen der idealen Belastungsintensität. Bei Auftreten von Schwindel, Kopfschmerzen, Wehen oder gar Blutungen ist das Training jedoch unverzüglich abzubrechen.
Auch mit Säugling Sport treiben
Unmittelbar nach der Geburt geht es im Wochenbett erstmal darum, neue Kraft zu schöpfen. Aber auch hier sind die Bewegungsempfehlungen flexibler geworden. „Es ist nicht notwendig, leichte Aktivitäten zu bremsen. An erster Stelle steht das Wohlbefinden der Frau“, betont Lea Kostner. Immerhin leiden 13 Prozent der Neo-Mamas unter postpartaler Depression, deren Auswirkungen durch leichte Bewegung zumindest gelindert werden können. Je nach Verlauf der Geburt und einer funktionalen Beckenboden- und Bauchuntersuchung sechs Wochen nach der Geburt, bei der auch das Beckensystem bei Belastung geprüft wird, kann recht schnell wieder mit leichtem Sport begonnen werden. „Bei Geburtsverletzungen müssen die Frauen vorsichtig beginnen, aber ansonsten hebt leichte Bewegung die Stimmung und ein langsamer Einstieg in den Sport fördert ein rascheres Eintreten des Normalbefinden“, erklärt die Expertin. Sanfte Aktivierungen und Atemkoppelung sind für alle Frauen von Beginn an möglich.
Spezialfälle Laufen und Bauchmuskeltraining
Während früher „Laufen erst wieder nach einem Jahr“ als Faustregel galt, sieht das die Fachwelt heute individueller. Sehr vorsichtig sollte man mit dem Laufen in den ersten drei Monaten nach der Geburt sein, die sehr individuell zu beurteilen sind. „Danach hängt es von vielen Faktoren ab, was gesund ist für die Frau. Ich empfehle hier einen sogenannten Return-to-Running-Test“, so Lea Kostner. Ein guter Indikator für den Laufbeginn, ist, wenn die Mütter 20 Minuten schmerzfreies, zügiges Gehen gut schaffen. Für die ersten Trainingseinheiten empfiehlt die Physiotherapeutin Intervalltraining und vor allem sehr gut gedämpfte Laufschuhe sowie das Tragen eines Sport-BHs. In Sachen Bauchmuskeltraining gab es früher auch ein absolutes Verbot in der ersten Zeit nach einer Geburt. Auch das ist etwas flexibler: „Damit sich die Linea Alba nach der Schwächung durch die Schwangerschaft wieder gut stabilisiert, braucht es Reize. Neben Elektrotherapie unterstützen hier dynamische Übungen“, rät Lea Kostner. Mit der zunehmenden Stabilität der längsseitigen Bauchmuskulatur kommen auch Kraft und Lebensqualität nach einer Geburt zurück. Damit der Prozess möglichst gut verläuft, ist die Begleitung mittels Physiotherapie ein guter Weg.
©Kostiantyn Postumitenko